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7 Minuten basel Bildende Kunst

Illya Kirzhner – 7 Minuten

DE

Der Minengang

Ein junges Mädchen in einem körperbetonten rosa Kleid gräbt mit einem Teelöffel den Boden um. Warum? Gräbt sie ein Grab? Will sie jemanden begraben? Jemanden, der im Krieg gefallen ist? Oder ist er zufällig gestorben? Ein Zufallsopfer? Wir leben in Kriegszeiten. Und in Kriegszeiten kann alles passieren. Vielleicht versucht sie auf diese Weise, die Vergangenheit zu begraben? Ihre Erinnerungen? Oder gräbt sie nach Schätzen um? Sucht sie einen Schatz?

Mit einem Teelöffel kann man keinen Schatz ausgraben. Und man kann auch nicht die ganze Vergangenheit begraben, in so einem kleinen Grab, auch nicht wenn man noch jung ist. Man kann mit einem Teelöffel nicht einmal einen richtigen Grab graben, ausser vielleicht für ein Insekt. Oder für einen kleinen Vogel. Kolibri. Oder für ein Papagei, der verstorben ist. Es war einmal, nicht jetzt. Bevor der Krieg ausbrach.

In einem mit einem Teelöffel ausgehobenen Grab ist es durchaus möglich, einige Erinnerungen zu begraben. Schreckliche, unangenehme, aber auch angenehme Erinnerungen. Über die Kindheit in der Ukraine. Über die Pubertät. Sie kann vielleicht die Erinnerungen an ihre erste Liebe begraben. Oder an das Verliebtsein. Oder an die Abhängigkeit. In der Pubertät kann man es noch nicht wirklich herausfinden. Aber auch im Erwachsenenalter ist es leider nicht einfach. Ein kleines Grab, durchaus geeignet für Erinnerungen an die erste Abhängigkeit der Zeiten der Pubertät. So etwas lässt sich durchaus mit einem Teelöffel in nur 7 Minuten ausgraben.

Aber nein, dieses Mädchen gräbt Blumen aus. Mit einem Teelöffel gräbt sie Blumen in einem idyllischen Schweizer Park aus. Erst die Kamille. Und dann ist da noch die Narzisse.

Kamille, ein Symbol der Liebe, oder des Verliebens. Nicht in sich selbst, nein, in den Anderen. Sogar Zemfira, eine Sängerin aus Russland, singt so

Привет, ромашки,
Кидайте деньги, читайте книжки
Дурной мальчишка ушел, такая фишка
Нелепый мальчишка.

Hallo, Gänseblümchen.
Werfen Sie Geld, lesen Sie Bücher
Der böse Junge ist weg, was für ein Trick
Lächerlicher Junge.

Narzisse ist ein Symbol der Selbstliebe, normalerweise nicht das gesündeste. Im antiken griechischen Mythos bewunderte Narzisst sein Spiegelbild und versteinerte. Wahrscheinlich aus dem Wunsch heraus, die eigene Schönheit zu verewigen. Oder aus Egoismus? Oder aus Egozentrik sogar? – Schwer zu sagen. Warum braucht ein Mädchen mitten im Krieg Gänseblümchen? Und warum braucht sie die Narzisse? Vor allem die Narzisse aus einem idyllischen Park?

Meine (oder unsere) Gedanken werden von einer Stimme unterbrochen. Einer männlichen Stimme. Sie spricht Schweizer Dialekt. Freundlich, höflich, gewaltfrei. Das ist die sogenannte gewaltfreie Kommunikation. Aber gleichzeitig spricht die Stimme klar und streng. Das können die Schweizer, die in offiziellen Institutionen arbeiten. In allen möglichen sozialen Institutionen. Oder fleissige, aufrichtig besorgte Schweizer und Schweizerinnen, die sich um die Umwelt kümmern:

„Ich muss Sie glich unterbreche. Das, was Sie da machet: vo wem hätten Sie die Bewilligung?“

„Wir machen es wieder gut.“

„Das spielt kaine Rolle! Sie treten in den Beetraum ein!“

Ich reagiere nicht. Ich halte die Kamera. Ich bin als Kameramann beschäftigt und ich erwecke diesen Eindruck. Auch das Mädchen reagiert nicht. Mit einem Teelöffel gräbt sie weiter. Sie lässt die Narzisse nicht aus den Augen. Künstlerischer Prozess. Materialsammlung über Russlands Krieg gegen die Ukraine. Künstler und Muse. Oder KünstlerIn und Muser?

„Aber Hallo! Haben Sie die Bewilligung vom Kanton?! Oder von der Stadt Basel?!“

Wir reagieren nicht. Wir zeigen immer noch, dass wir einen künstlerischen Prozess durchführen. Ist das nicht klar? Man kann ja sehen, dass wir nicht ganz von hier sind. Dass wir Ausländer sind. Das Mädchen trägt ein wunderschönes rosa Kleid. Es steht ihr sehr gut. Ich trage einen Damen-Flanellanzug in einem bizarren und veralteten Stil. Hier gehen die Leute nicht einfach so durch die Strassen. Wir sind nicht nur Ausländer, wir sind komische Ausländer. Wir sind etwas Spezielles. Welche Bewilligung? Wofür? Warum vom Kanton? Oder von der Stadt? Eine kleine Narzisse zu untergraben ist kein Verbrechen. Es ist nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit. Es ist keine Sabotage der bürgerlichen Moral. Und wie steht es schliesslich mit der künstlerischen Freiheit?

„Ich appelliere an euch: Legen Sie mir die Erlaubnis des Kantons vor! Sonst rufe ich die Polizei an! Hören Sie auf zu graben!“

Eine männliche Silhouette bricht in die Kamera durch. Erst jetzt sehe ich, wie der Typ aussieht, der mich schon seit gut fünf Minuten anspricht. Die männliche Silhouette verdeckt das Mädchen. Und die Narzisse. Ich erinnere mich, dass das Mädchen minderjährig ist. Ich beschliesse, keinen ärger zu verursachen. Ich drücke auf Stopp.

Man weiss ja nie, was sie mir sonst vorwerfen. Diese freundliche grüne Umweltschützer, mit ihrer gewaltfreien Kommunikation.


RU

Пробуждение. 7 минут войны

Первые 7 минут войны – как сон, или как танец. 

девушка просыпается от взрывов бомб и начинает танцевать. 

танцевать – ото сна в сон. 

пробуждение в Украине, в обычной квартире, от взрывов бомб.

пробуждение в Швейцарии, в чужой стране, на скамейке в парке, от щебета птиц. 

телефонный звонок. бабушка говорит, что началась война. 

птицы щебечут. они щебечут о цветах. цветы ждут, когда их соблазнят. 

девушка в Украине, будит родителей, чтобы сказать им, что началась война. 

девушка в Швейцарии, танцует, сонная и томная. следуя зову птиц. 

она празднует новый день. 

Такая форма, потому что война, она как вещь, которая проникает везде и которую никто не хочет, никто не ждет. она просто приходит в чью-то жизнь, лезет как нос, страшно длинный

страшно длинный нос лезет в идиллический зелёный парк, со старым фонтаном, с дивными цветами и растениями, с изящными скульптурами и гран-кафе, в котором нельзя оказаться просто так, в который попадают избранные или случайные. 

что я живу в такой стране, в которой такая нестабильность, что началась война? наверное, у меня не было этого чувства, потому что мои родители сразу сказали, что мы уезжаем из этой страны, потому что здесь небезопасно

мы уезжаем в страну, в которой безопасно, даже очень, даже слишком безопасно, можно так сказать, мы уезжаем в самую комфортную, самую мирную и богатую страну в мире. эта страна в десятки, в сотни раз безопаснее, комфортнее, богаче Украины. и природа, и садово-парковое искусство здесь тоже утонченное, наверное, непревзойденное, – даже самые утонченные садовники Версаля его не превзошли. 

ну, да, мои родители постоянно мне говорят, что в Украине нет возможности развиваться, развиваться и работать в том направлении, которое мне интересно, – искусство, и что я умру с голоду из за того, что я этим интересуюсь. 

в Швейцарии никто никогда не умирает с голоду, или почти никто почти никогда, не важно, чем он или она или оно интересуется. даже если оно интересуется трупами, или падалью, или дождевыми червями, или ядами, например, оно все равно никогда не умрет с голоду, даже если оно окажется в лесу, или в тюрьме. 

в Швейцарии есть бесконечные возможности развиваться и работать в том направлении, которое интересно, здесь трудно развиваться и работать в интересном направлении может быть лишь потому, что возможностей для развития и работы бесконечное множество и все множества всегда открытые, поэтому очень трудно выбирать: пока выберешь, пока определишься, юность, молодость, а то и вся жизнь могут незаметно пройти. такая она, Швейцария, где каждое „я“ или „оно” может хоть всю жизнь заниматься одним лишь искусством, где каждый может стать художником. Нет, где каждый уже есть художник, как говорил… Бойс? никто здесь не умрет с голоду, из-за того, что он или она или оно интересуется искусством, но никого (или почти никого) и не признают здесь большим художником или художницей, или художнико, потому что каждый уже художнико, или художница, или художник. Страна свободного мнения, где каждый имеет право высказаться, но только некоторые имеют возможность быть услышанными.

Война противоречива. война парадоксальна по своей природе. кого-то война убивает. Кому-то дарит новую жизнь, во много раз прекраснее предыдущей. кому война, а кому мать родная, говорят русские. кто-то потерял все – родину, дом, друзей, родных и близких. кто-то приобрел все – свободу, мир, комфорт, безопасность. время, богатство. Богатство, заключающееся в свободе выбора.

Я оделась в школу. Я уже была готова выходить