Die Schweiz ist grün und sauber. Können sie mir das erklären?
Der Vater kam auch mit. Nach einem ewigen hin und her.
Er, mit den Augen von Moos im Frühling.
Bei uns im Flüchtlingslager gibt es eine Mülltrennung. Und es gibt einen Koch. Der Koch ist nett, er überraschte mich mit dem Essen meiner Grossmutter.
Da war ich glücklich und hörte wieder Musik.
Der Krieg kroch für eine kurze Zeit aus meinem Magen.
Ich stelle mir meine Grossmutter als Flüchtlingslager-Köchin vor. Mit einer Schürze, mit Messer in der Hand, schnipselnd, für andere. Sie hätte immer den Fernseher an, beim Kochen, mit ihren Nachrichten. Nein, das passt nicht.
Aber der Koch, der unterhaltet sich mit mir, so wie die Menschen aus anderen Ländern, die hier sind. Auch aus Kriegsgebieten. Sie wirken optimistischer als meine Familie. Sie fragen, mich, ob ich mit ihnen in die saubere Stadt komme.
Das ist schön! Ich fühle ich mich nicht allein.
Ich bin in einem Museum in Lausanne. Die Welt ist in verschiedenen Formen von Licht gezeichnet. Lichter, Streifen, Flächen, Farbflächen, Punkte, geometrische Unterteilungen, schwarzweisse Fotografien, Zeichen, Buchstaben, Säulen, Wölbungen, Falten, Reflexionen, Spiegelungen,
Beschleunigung, Fortschritt.
Da will ich hin!
Was ich in der Schweiz lernte: Nicht jeder Flüchtling hat das gleiche Glück, wie ich, auf nette Menschen zu treffen. Einige treffen auf Menschen, die uns hier nicht wollen. Wissen diese Menschen, die uns hier nicht wollen, dass es Zufall ist, wo man geboren wird? Denken sie nicht, dass sie jemals, in eine solche Situation geraten könnten?
Eine Situation, in der das Licht ausgeht, weil eine Bombe, die Elektrizität zerstört hat.
Ich jedoch hatte Glück, gute Menschen zu treffen.
Ich schaue ein Bild von Pinguinen an. Ich frage mich, wieso sind wir keine Zügelpinguine? Nackt, nebeneinander, liegend, in den Flächen der Erde verteilt, ausrutschend, badend, der Natur gerecht.
Dinge, die mir aufgefallen sind:
Das Wasser ist in der Schweiz gut, es schmeckt nach Wasser.
Die Luftschutzbunker sind gut, man kann sich darin verstecken.
Fondue ist fein, mit Fleisch schmeckts besser.
Die Züge sind prima. Schöne Aussichten, keine Verspätungen.
Die Schweiz ist ein Büro.
Ich freute mich, als sie mich einluden, um über mich und den Bären zu sprechen. Ich trank Kaffee, die Sonne schien. In der Küche roch es nach Gewürzen, eines Landes, in welches ich die Füsse nie gesetzt habe.
Sie fragten mich, willst du teilnehmen? Willst du ein Hörspiel werden, willst du eine Geschichte werden, willst du irgendwas werden? Obwohl ich fast keine Zeit habe, da ich drei Sprachen lerne: Tibetisch, Deutsch, Französisch und eine verlerne: Russisch, sagte ich zu. Ich freute mich, mich für Kunst auszustellen.
Und jetzt werde ich angestarrt, angestarrt von einem Mann, der alles aufnimmt, was ich sage, von diesem anderen, der mir alles auf Ukrainisch übersetzt und von dieser Frau, die mir die Fragen stellt. Alles, weil ich Teil der Geschichte geworden bin, der aktuellen, grösseren Geschichte.
Ich bin oft Ausstellobjekt, auch wenn es kein Kunstprojekt ist. Oft schauen mir die Leute dabei zu, wenn sie über den Krieg erfahren, wie ich irgendwas Belangloses mache.
Zum Beispiel, wie ich in mein iPhone Nachrichten eintippe.
Als wäre ich der Krieg. Als wäre der Krieg meine Geschichte.
Dann fragen sie sich, wer ich war, wer ich bin und wie ich lebe, wer ich sein werde.
Ich vermisse jemanden, sage ich, ich bin jemand, wissen sie?
Ich vermisse einen Jungen, den ich seit fünf Jahren und 2252 Kilometer liebe, der nach Deutschland geflüchtet ist und dort lebt.
Sie fragen mich, was wäre ein grossartiges Geschenk für dich? Und ich sage, ein Buch über Art Brut.
Hast du Geld verloren? Fragen Sie. 20 Franken sage ich. Ich komme nicht aus einer reichen Familie, die Wohnung war gemietet, die Möbel von meinen Eltern, die Kleider habe ich mitgenommen.
Den Tanzstiefel zurückgelassen, das Tanzen auch.
Für lange Zeit habe ich nur die Füsse mitgetragen.
Jetzt tanze ich wieder.
Ich singe sogar wieder in der Dusche. I will always love you. Von Whitney Houston.