Identität
Ich werde gefragt, wie viel Prozent ich mich als Ukrainer fühle. 100%? 80%? 70, 10%? Hat sich daran etwas geändert, 1 Jahr nach dem Krieg? Keine Ahnung. Ich mag amerikanisches Kino, japanische Musik, Schweizer Bier und ukrainische Küche. Doppelbürgerschaft gibt es doch in der Schweiz? Ich brauche Vierfachbürgerschaft oder noch besser: Vielfachbürgerschaft.
Fondue
Mein Lieblingsgericht 1 Jahr nach dem Krieg: Fondue. Das macht so richtig satt. Man spürt das Gericht im Magen. Der Käse ist im Körper physisch anwesend. Noch besser ist Fondue mit Fleisch. Das Fleisch liegt im Magen wie ein müder Hund, dem man zufrieden mit der Hand über den Kopf streicht.
Paris
Grossmutter ist jetzt in Paris, liest täglich Zeitung und ist wütend.
Crêpes Gourmandes
Ich habe nach 1 Jahr in der Schweiz gelernt: Es ist nicht so wichtig, was man isst. Viel wichtiger ist es, mit wem man isst. Oder vielleicht ist mir das einfach nochmals klar geworden. Auch, dass das Essen hier doch abwechslungsreicher ist, als gedacht. Die italienischen und französischen Einflüsse habe ich anfangs versucht auszuklammern. In Lausanne gibt es zum Beispiel die besten Crêpes Gourmandes und die Menschen dort sind auch nett.
Heimat
Meine Freunde suche ich mir inzwischen nicht mehr selbst aus: Ich lebe im Flüchtlingslager. Über Kunst kann ich mich hier mit niemandem austauschen, aber der Koch ist nett. Eines Abends kocht er mit viel Liebe den Borschtsch meiner Grossmutter, den ich so sehr vermisst habe. Mit roter Beete, Kabis, Kartoffeln, Rindfleisch und Karotten.